Filme, Kino & TV
Kunst, Fotografie & Neue Medien
Literatur
Musik
Theater
 
Redaktion, Impressum, Kontakt
Spenden, Spendenaufruf
Mediadaten, Werbung
 
Kulturtermine
 

Bitte spenden Sie!

Unsere Anthologie:
nachDRUCK # 5

KULTURA-EXTRA durchsuchen...

Premierenkritik

Am Brunnen

vor Manhattan



Matthias Klink in Hans Zenders Schuberts "Winterreise" an der Staatsoper Stuttgart | Foto (C) Matthias Baus

Bewertung: ���



Es ist wohl der bekannteste Liederzyklus aller Zeiten: Franz Schuberts Winterreise. Genau so, n�mlich Schuberts �Winterreise�, hei�t ein ungew�hnliches Werk des Komponisten Hans Zender aus dem Jahr 1993. Lange bevor man jede Hochstapelei, die sich, jenseits der bildenden Kunst, �ber fremde Sch�pfungen hermachte, jeden Vandalismus eines untermittelm��igen Talents, das sich f�r einen Heiner M�ller oder eine Elfriede Jelinek h�lt, als ��bermalung� (auch das Stuttgarter Programmplakat m�chte auf diese hirnrissige Modevokabel nicht verzichten) unters Volk brachte, setzte sich Zender mit seinen Mitteln, den Mitteln des Komponisten, mit Schuberts Meilenstein f�r die Musikgeschichte auseinander. Er nannte sein Unternehmen �Eine komponierte Interpretation f�r Tenor und kleines Orchester�. Diese Genrebeschreibung verweist das St�ck eher in den Konzertsaal als in die Oper, aber grunds�tzlich hat ein musikalisches Werk f�r einen Gesangssolisten in der Oper nicht weniger Berechtigung als ein Einpersonenst�ck im Schauspielhaus. Die Doppeldeutigkeit des Wortes �Interpretation� ist von Belang. Die Winterreise wird vom S�nger interpretiert, also h�rbar gemacht, und vom Komponisten interpretiert, also einer Exegese unterzogen.

Vielleicht ist aber der Begriff �Interpretation� dennoch irref�hrend. �Verfremdung� scheint den Sachverhalt fast genauer zu treffen. Der Schwerpunkt von Zenders Bearbeitung liegt auf der Instrumentation. Die Substanz von Schuberts Liedern wird nicht tangiert. Hans Zenders Anf�nge als Komponist von Zw�lftonmusik haben keine Spuren hinterlassen.

Zender tastet sich mit den ersten drei T�nen des Anfangsmotivs � �Fremd bin ich� � an den Zyklus heran. Am Ende des ersten Lieds changiert der Rhythmus zum Marsch und kurz sogar zum Tango. Im Lauf des fast zweist�ndigen Abends kommen, h�chst reizvoll, unter anderem Harfe, Akkordeon und diverse Perkussionsinstrumente zum Einsatz. Und zu Ehren des Windes, der im Gedichtzyklus von Wilhelm M�ller so h�ufig genannt wird, macht sogar eine Windmaschine, in diesem Fall doch reichlich illustrativ, ihre Aufwartung.

*

F�r die Stuttgarter Auff�hrung steht mit dem Ensemblemitglied Matthias Klink ein bew�hrter Lieders�nger zur Verf�gung. Seine trockene, fast vibratofreie Stimme kommt einer unsentimentalen Auffassung von Schuberts Liedern entgegen.

Um Zenders Werk f�r die B�hne attraktiver zu machen, setzt der niederl�ndische Regisseur Aernout Mik auf jenes Medium, das heute eher auff�llt, wenn es fehlt, als wenn es vorhanden ist: auf Video. Zur Personenf�hrung f�llt ihm nicht viel ein. Klink muss am Orchester vorbei auf ein kleines Podium wandern, sich an- und ausziehen, sich mal setzen, mal hinlegen. Das war�s dann auch. Auf drei Leinw�nde werden schwarz-wei�e Filmschnipsel projiziert, die sich eher kontrastiv als illustrativ zu den Liedtexten verhalten. Man sieht Menschenmassen aus aller Welt und in verschiedenen Situationen: Demonstrationen mit Polizeigewalt, Karnevalsumz�ge, Sportbesucher. Der Lindenbaum wird mit Aufnahmen von Manhattan bebildert. Handys werden geschreddert. Live-Video folgt einigen mobilen Musikern in die Kassenhalle der Oper (was nicht ganz neu ist) und in den n�chtlichen Schlossgarten vor deren Pforten oder zeigt, in Gro�aufnahme, Klinks Nabel.

Einzelne Musiker werden im Raum, auf der Hinterb�hne und an den Eing�ngen vom Foyer umgruppiert. Wenn es im Text hei�t �Nun ja, die Post kommt aus der Stadt�, stellen sich Bl�ser als Inkarnation des Posthorns links und rechts vom S�nger auf.

Frenetischer Beifall f�r Matthias Klink und das Staatsorchester Stuttgart unter der Leitung des f�r (mehr oder weniger) Zeitgen�ssisches zust�ndigen Stefan Schreiber, vereinzelte Buhs f�r die Regie.




Matthias Klink in Hans Zenders Schuberts "Winterreise" an der Staatsoper Stuttgart | Foto (C) Matthias Baus

Thomas Rothschild � 2. M�rz 2020
ID 12048
SCHUBERTS "WINTERREUISE" (Staatsoper Stuttgart, 01.03.2020)
Musikalische Leitung: Stefan Schreiber
Konzept, Video, Raum & Regie: Aernout Mik
Dramaturgie: Barbara Eckle und Julia Schmitt
Live-Kamera: Tobias Dusche und Daniel Keller
Tenor: Matthias Klink
Staatsorchester Stuttgart
Premiere war am 1. M�rz 2020.
Weitere Termine: 05., 08.03.2020


Weitere Infos siehe auch: https://www.staatsoper-stuttgart.de


Post an Dr. Thomas Rothschild

Konzertkritiken

Premierenkritiken

ROTHSCHILDS KOLUMNEN



Hat Ihnen der Beitrag gefallen?

Unterst�tzen auch Sie KULTURA-EXTRA!



Vielen Dank.



  Anzeigen:



MUSIK Inhalt:

Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN

Rothschilds Kolumnen

AIX-EN-PROVENCE

BALLETT |
PERFORMANCE |
TANZTHEATER

BAYREUTHER FESTSPIELE

CD / DVD

KONZERTKRITIKEN

LEUTE

NEUE MUSIK

PREMIERENKRITIKEN

ROSINENPICKEN
Glossen von Andre Sokolowski



Bewertungsma�st�be:


= nicht zu toppen


= schon gut


= geht so


= na ja


= katastrophal




Home     Datenschutz     Impressum     FILM     KUNST     LITERATUR     MUSIK     THEATER     Archiv     Termine

Rechtshinweis
F�r alle von dieser Homepage auf andere Internetseiten gesetzten Links gilt, dass wir keinerlei Einfluss auf deren Gestaltung und Inhalte haben!!

� 1999-2025 KULTURA-EXTRA (Alle Beitr�ge unterliegen dem Copyright der jeweiligen Autoren, K�nstler und Institutionen. Widerrechtliche Weiterverbreitung ist strafbar!)



OSZAR »