Luca Francesconi�s
Veroperung von
Heiner M�llers
Zweipersonenst�ck
Quartett
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Luca Francesconis Quartett (nach Heiner M�llers gleichnamigem St�ck) an der Staatsoper Unter den Linden | Foto (C) Monika Rittershaus
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Bewertung: ���
Quartett ist das popul�rste St�ck von Heiner M�ller (1929-1995). In ihm geht es, "rein" vordergr�ndig, um das Ausleben psychosadistischer Triebe eines mit und in sich gefangenen Paars, das sich aller Wahrscheinlichkeit nach in seinem bisherigen Leben irgendwann mal liebte oder so was �hnliches wie Liebe bei sich ausmachte - akut be�ugt es missmutig und voller Eifersucht die andern um es her, die anders (und wom�glich liebevoller) miteinander umgehen als es, das sich inzwischen nur noch an sich furchtbar langweilt; und es schreit ganz unartig nach einer Abwechslung...
"Die Marquise und der Vicomte reduzieren die Liebe auf Sex und reine K�rperlichkeit, vielmehr das Reden dar�ber. In st�ndigem Rollenwechsel (Merteuil spielt Valmont und die Volange, Valmont spielt Tourvel) fechten die zwei Figuren des St�cks einen Machtkampf aus, in dem Sexualit�t und Sprache zur Waffe geworden sind. Gekonnte Rhetorik und Perversion werden zum Ersatz f�r menschliche Beziehungen und auf die Spitze getrieben, bis hin zu brutaler Selbstzerst�rung. Dabei zeigt sich jedoch auch immer die Leere und eine Art Endzeitm�digkeit, die das durch Verstrickungen, Gewohnheit und unerf�llte Sehnsucht aneinander gekn�pfte Paar versp�rt." (Quelle: Wikipedia)
M�ller berief sich, als er dieses Zweipersonenst�ck im Jahre 1980 schrieb, auf Choderlos de Laclos� Briefroman Gef�hrliche Liebschaften (erschienen 1782). Dass er es in einem "Salon vor der Franz�sischen Revolution / Bunker nach dem dritten Weltkrieg" ansiedelte, war nicht untypisch f�r ihn und sollte auch blo� rechtfertigen, warum er sich mit so Boulevard dann �berhaupt erst auseinandersetzte. Sprachlich ist es eines seiner besten, wenn nicht gar das allerbeste (abgesehen von seinen nicht minder lesens- als wie h�renswerten Shakespeare-St�ckfassungen). Es ist derart gut und "leicht verst�ndlich", dass sich mittlerweile zig Bearbeitungs- und andere Angriffsversuche weltweit konstatieren lassen - auch der italienische Komponist Luca Francesconi (* 1956) konnte mit Quartett dem Anschein nach was anfangen, ja und so tat er es 2010 in Noten setzen; ein Jahr sp�ter wurde es an der Mail�nder Scala uraufgef�hrt.
Heute - nach meinem physischen Verweilen in der anderthalbst�ndigen Staatsopernpremiere, wo das Francesconi-Opus erstmals in Berlin zu sehen war - stelle ich mit Bedauern fest, dass all die umst�ndlichen M�hen der Veroperung des M�ller-St�cks null Sinn ergeben; jedenfalls nach meiner individuellen Lesart; dabei will ich eingestehen, mich nicht umfassend (um nicht zu sagen: �berhaupt nicht) mit der musikalischen Struktur und Machart/ -weise des Geh�rten auch nur ann�hernd befasst zu haben.
Lt. der �bertitelungsmaschine gibt es eine gr��tm�gliche �bereinstimmung mit M�llers O-Text. Das als Opernlibretto gleichgestampfte St�ck erscheint, vom Lesen her, etwas gerafft. Manche Passagen (S�tze, Satzteile) werden gedoppelt, andere sogar vervielfacht. Und das singende Protagonistenpaar muss sich in anstrengenden Auf- und Abwallungen des durch es zu Exzessierenden gefallen, wobei sich der vordergr�ndige Sopranpart in teils schwindelhohe Hysterien zu verlieren hat, ohne dem Sinngehalt des von ihm Vorgetragenen auch nur ein Millimeter n�her gekommen zu sein. Viel Sprechgesang auch, deutliche Fermaten zwischendurch (quasi zum Luftholen), das alles unter- oder �berf�ttert durch ein pausenlos pr�sentes Live- sowie toningenieuerlich multipliziertes Fernorchester inkl. Chorkonserve des Teatro alla Scala.
Alles das in seinem �berspitzungswillen nachzuh�ren, schmerzt die Ohren und (viel mehr noch:) den Verstand. Falls sich noch wer an Marianne Hoppe, die zu ihrer Zeit mit ihren 85 Jahren die Marquise am Berliner Ensemble spielte, erinnerte, wie sie da regungslos die ganze Zeit auf einem Stuhl gesessen hatte und bei ihren ausufernden Monologen sowie Dialogen (mit dem damals jungen Martin Wuttke) ihre Stimme nicht ein einziges Mal "�bereifern" lie�, wird ann�hernd begreifen k�nnen, was ich mit dem Generaleinwand GEGEN eine Veroperung des M�ller'schen Quartetts zu meinen glaube - sowieso ist seine Sprache schon Musik an sich.
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Luca Francesconis Quartett (nach Heiner M�llers gleichnamigem St�ck) an der Staatsoper Unter den Linden | Foto (C) Monika Rittershaus
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Der Produktionsaufwand dieses veroperten Quartetts war gro�. Das Resultat schien klein: Die g�hnkrampfige Inszenierung Barbara Wysockas spielte sich in einem die inzwischen unbewohnbare n�rdliche Erdhalbkugel assoziierenden Bunker ab (B�hnenbild: Barbara Hanicka); und das alles grau in grau, erst "regnete" es Pornofotos in Schwarzwei�, danach ein Dutzend dunkler V�gel. St�hle, Monitore, Scheinwerfer und Truhen oder Kisten standen au�erdem noch rum. Die zwei Performerinnen Francesca Ciaffoni und S�gol�ne Bresser kommentierten vorgefertigtes Geschehenes.
Bewundernswert die s�ngerischen wie auch spielerischen Eins�tze von Mojca Erdmann (als Merteuil) und Thomas Oliemans (als Valmont).
Daniel Barenboim kann man mal wieder, bis auf Weiteres, nicht unterstellen sich nicht permanent mit Neuer oder neuerer Musik auseinandergesetzt zu haben; ich vermute, dass es sicherlich sein ausdr�cklicher Wunsch gewesen war, dieses veroperte Quartett hier aufzuf�hren.
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Somit h�tte ich die Angelegenheiten registriert, und mehr gibt es, von meiner Seite aus, auch nicht zu sagen.
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Andre Sokolowski - 3. Oktober 2020 (2) ID 12507
QUARTETT (Staatsoper Unter den Linden, 03.10.2020)
Musikalische Leitung: Daniel Barenboim
Inszenierung: Barbara Wysocka
B�hnenbild: Barbara Hanicka
Kost�me: Julia Kornacka
Licht: Irene Selka und Artur Sienicki
Video: Artur Sienicki und Barbara Wysocka
Dramaturgie: Jana Beckmann
ircam / Gestaltung Computersounds: Serge Lemouton
ircam / Toningenieur: Luca Bagnoli
ircam / Aufnahme, Schnitt Chor und Orchester des Teatro alla Scala Mailand: Julien Al�onard
Besetzung:
Marquise de Merteuil ... Mojca Erdmann
Vicomte de Valmont ... Thomas Oliemans
Tanz ... Francesca Ciaffoni
Staatskapelle Berlin
Urauff�hrung an der Mail�nder Scala: 26. April 2011
Berliner Premiere: 3. Oktober 2020.
Weitere Termine: 08., 10., 18.10.2020
Erstauff�hrung der deutschen Fassung
Weitere Infos siehe auch: https://www.staatsoper-berlin.de/
http://www.andre-sokolowski.de
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