M�nchner Opernfestspiele 2011
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Gro�artiges
Gro�artiges
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Das ist Paul Gay als Saint Fran�ois am Nationaltheater M�nchen - Foto (C) Wilfried H�sl
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Kent Nagano / Hermann Nitsch sind beide nicht im Ann�hernden derart fromm und gl�ubig, wie es das gemeinsame Idol-Objekt ihrer Begierde - Oliver Messiaen (dieser katholizierende franz�sische Komponist, Kompositionslehrer und Organist, der seiner altersweisheitlichen Oper SAINT FRAN�OIS D'ASSISE nicht Wesentlicheres mehr folgen lassen wollte) - in den 84 Jahren seines Lebens war. Jetzt haben sich die Zwei vor�bergehend als ein kongeniales Paar den Zuh�rern und Zuschauern des M�nchner Nationaltheaters pr�sentiert; der Eine dirigierte und der Andere bebilderte das allzu selten aufgef�hrte und in M�nchen jetzt zum allerersten Male �berhaupt gebrachte epochale Werk! Dass Beide freilich "nur" die jeweiligen Kapit�nsrollen des zu besprechenden Titanic-Ausflugs von f�nf Stunden Dauer und mit Hunderten von Mitwirkenden (Gro�orchester, Gro�chor, gro�artige Aktionisten [Nitsch's]) ausf�hrten, sei in Anbetracht des Turboaufgebots an Menschen/Material nicht "nur" ironisch angemerkt...
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Aktionisten Hermann Nitschs (links auf dem Bild) sowie John Daszak als Auss�tziger und Paul Gay als Saint Fran�ois in Messiaens gleichnamiger Oper an der Bayerische Staatsoper - Foto (C) Wilfried H�sl
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Es geht um wahrlich Heiliges und Heilbringendes in dem sch�nen und von Messiaen selbst verfassten Text und der noch viel viel sch�neren (und heiligenderen) Musik. Der Komponist wollte ja eigentlich gar keine Oper schreiben - schlie�lich hatte ihn Rolf Liebermann (selbst Komponist), der damals die Pariser Oper leitete, durch �berantwortende Lockung eines exklusiven Werkauftrags zu jenem k�nstlerischen Schritt verf�hrt; die Kehrseite des Ganzen freilich war, dass der Messiaen nach absolvierter Schaffenszeit an diesem Riesenopus (1975-1983) eine mehrj�hrige Schreibblockade kriegte (wovon beispielsweise Kent Nagano, der zu der Pariser Urauff�hrung damals Assistent Seji Ozawas war, noch nachtr�glich ein Liedlein singen kann). Es gibt halt in dem Leben gro�er Sch�pfer meistens eine ein-einzige wirklich sch�pferische Gro�tat, die mit ihnen untrennbar zu tun hat, und wenn diese dann getan ist, sozusagen, sind sie quasi ausgeblutet f�r den Rest der (nicht blo� sch�pferischen) Lebenszeit; es ist halt wie es ist.
Apropos ausgeblutet - - und an dieser Stelle scheint es an der Zeit zu sein, das typisch Nitsch'sche, also Hermann Nitsch's Anteil an der besagten Produktion der Bayerischen Staatsoper, in unbotm��igem Verk�rzungszwang zu kennzeichnen:
[Er, weit �ber siebzig, ist ein vielschaffendes Ph�nomen! Malt, musiziert und schreibt (9 Sinfonien, ein 1084seitiges Buch �ber die Theorie seines o. m. theaters etc. pp.) u. v. m. Als der bedeutendste Vertreter des Wiener Aktionismus wird er lexikalisch ausgewiesen, und man liest auch, dass er erst 2005 den Gro�en �sterreichischen Staatspreis f�r Bildende Kunst verliehen bekam - vorher war er wohl einer der gehasstesten und wegverschm�htesten Verst�rer Nachkriegs�sterreichs; und wegen seines so skandalumwitterten Orgien-Mysterien-Theaters auf Schloss Prinzendorf, das l�ngst als eine der bedeutendsten Kultur- und Kunstaktionen weltweit gilt, brachten ihn irgendwelche Kleingeister auch mal kurz ins Gef�ngnis usw. usf.]
Diese Performances, und zumeist an frischer Luft betrieben, muss man sich rein optisch schon als ziemlich krass und kr�ftig vorstellen. Da werden jugendliche Menschenleiber mit den inneren Organen ausgeschlachteter Nutztierkadaver und unter Hinzuf�gung von k�belweisem Ochsenblut und/oder andern Lebenss�ften angereichert und vermengt, und das erzeugt dann - wie man durch die Videoeinspielungen auf der die gesamte B�hnenh�he/-breite einnehmenden Gro�bildleinwand in dem M�nchner Nationaltheater sehen konnte - eine bacchanale Gruppenfreude insgesamt; und eine konsequente Frage dr�ngte sich mir da besonders auf: H�tte der Nitsch, auch um auf seine k�nstlerische Grundessenz den Fingerzeig zu richten, nicht in dieser (glaubw�rdigen und direkten) Art im Eins-zu-eins-Verfahren seine Aktionisten vor dem zahlungskr�ftigen M�nchener Opernfestspielpublikum so richtig einen gucken lassen k�nnen?? Hinderlich hieran war sicher nur das Nichtvorhandensein an frischer Luft.
So lie� sich Nitsch also auf einen Kompromiss ein, der da sichtlich lautete: Theaterblut. Und diesen Kompromiss steigerte er dann noch in S��lichkeit (der Farben) und in S��em (des Geschmacks)... wir konnten irgendwie dann, also fast geschmacklich, nachvollziehen, wie es den mit Marmeladenso�e oder Haferschleim begoss'nen Aktionisten seines Stalls so schmeckte. Auch die gro�e Vogelpredigt des Fran�ois - Messiaen begriff sich als Ornithologe - uferte urpl�tzlich in so �bers�� gehalt'nen Videoprojektionen mit aus sich herausspreuenden (explodierenden!!) Schw�rmen von V�geln aus; das Alles nervte und entz�ckte gleichenteils, und dieses ablenkende permanente Schauen �berpanschte selbstverst�ndlich in der Folge die "and�chtige" Besch�ftigung mit dem sakralen Text - was wiederum einer erfreulich-aufmunternden Werkbetrachtung insgesamt zugute kam.
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Christine Sch�fer singt und spielt den Engel in der gro�en Messiaen-Oper am M�nchner Nationaltheater - Foto (C) Wilfried H�sl
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Es geht also sehr unlangweilig sauber, wei�lich hell und farblich bunt an diesem langen, langen, langen Abend zu...
Christine Sch�fer, beispielsweise, teilt doch augenscheinlich den Humor und die Distanz des Hermann Nitsch zum Heiligen Franziskus ( "er ist mir wurscht, wie alle Heiligen") - signifikant wird das bei ihrem ersten Engels-Auftritt, also wenn sie, zweimal derb und deutlich an die Klosterpforten auf dem Berg La Verna klopfend (eine der ber�hmtesten und einpr�gsamsten musikalischen Ideen dieser Oper), mit den Klosterbr�dern Masseo (Kenneth Roberson), Elias (Ulrich Re�) und Bernhard (Christoph Stephinger) in "Konfrontation" ger�t und schon durch ihre Mimik wissen l�sst, wie fremd und komisch ihr die fr�mmeligen Ordensherren so daher kommen; an einer Stelle gar vermeinte man durch sie (Sch�fer) so eine Art Dann-leckt-mich-doch-am-Arsch beglaubigt zu bekommen � la Mehr-als-zweimal-an-die-Pforte-Klopfen-gibt-es-nicht o. s. �. / Sehr, sehr h�bsch gemacht von ihr! Und ihre wahrlich engelsgleiche Stimme war und ist an sich schon ein Erlebnis dieser Auff�hrung gewesen!!
Und am Ende war und ist es sowieso und ohnehin unm�glich, seinen Fokus schwerpunktm��ig auf das Beste und/oder das Allerbeste resp. auf das Sch�nste und/oder das Allersch�nste dieser fulminanten Gro�tat dieses traditionsschwangeren Hauses, wo die Wagneropern Tristan, Meistersinger, Rheingold und Walk�re ihre Urauff�hrung hatten - Nitsch ist ein bekennender Wagnerianer; und der Parsifal w�re jetzt eigentlich und schlussfolgernd das N�chste und das "H�chste", was ihm umgehend noch angetragen werden m�sste, dass sich so ein Kreis f�r ihn dann schlie�t - , zu richten.
Der von S�ren Eckhoff einstudierte Chor der Bayerischen Staatsoper hatte auch, nach dem endlos-sch�nen Hinscheiden von Saint Fran�ois (Paul Gay), einen verkl�rend lichtblendenden Hochmoment; der Schlussgesang kommt ganz allein von ihm... nur lauter Dur und ein schier unertr�glich aushaltender Dauerton // da zweifelte ich blitzartig an meinem Atheistendasein und fing an zu heulen wie ein Schlosshund...
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Hier ahnt man schon die visuelle Kraft, die dieser allerersten Inszenierung jener Messiaen-Oper vom Heiligen Franziskus von Assisi an der Bayerischen Staatsoper so inne wohnt mit den zig Aktionisten und dem Chor der Bayerischen Staatsoper sowie dem Bayerischen Staatsorchester - Foto (C) Wilfried H�sl
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Andre Sokolowski - 12. Juli 2011 ID 5281
SAINT FRAN�OIS D'ASSISE (Bayerische Staatsoper, 10.07.2011)
Musikalische Leitung: Kent Nagano
Szenische Konzeption und Gestaltung sowie B�hne und Kost�me: Hermann Nitsch
Mitarbeit Regie: Natascha Ursuliak
Assistent von Hermann Nitsch und Umsetzung der Projektionskonzepte: Frank Gassner
Kost�mbildassistentin: Hanna Hollmann
Licht: Michael Bauer
Ch�re: S�ren Eckhoff
Besetzung:
L'Ange ... Christine Sch�fer
Saint Fran�ois ... Paul Gay
Le L�preux ... John Daszak
Fr�re L�on ... Nikolay Borchev
Fr�re Mass�e ... Kenneth Roberson
Fr�re �lie ... Ulrich Re�
Fr�re Bernard ... Christoph Stephinger
Fr�re Sylvestre ... R�diger Trebes
Fr�re Rufin ... Peter Mazal�n
Aktionisten
(Erster Aktionist und Berater: Giuseppe Zevola)
Chor der Bayerischen Staatsoper
Ondes Martenot: Pascale Rousse-Lacordaire, Philippe Arrieus und Dominique Kim
Bayerisches Staatsorchester
Premiere zu den M�nchner Opernfestspielen war am 1. Juli 2011
Weitere Infos siehe auch: http://www.bayerische.staatsoper.de
http://www.andre-sokolowski.de
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