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nachDRUCK # 6

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Premierenkritik

Behutsam

abgestaubt



Mein Freund Harvey am Schauspiel Leipzig | Foto (C) Rolf Arnold

Bewertung: ���



Was gilt als normal, was verr�ckt, das ist im realen Leben meist klar definiert. Die allgemeine Norm bestimmt �ber den Grad der Verr�cktheit anderer. In Mein Freund Harvey, dem 1944 von der US-amerikanischen Autorin Mary Chase geschrieben Broadway-Erfolgsst�ck, ist das irgendwann nicht mehr so wirklich klar. Hauptprotagonist Elwood P. Dowd hat einen unsichtbaren, 2,10 m gro�en wei�en Hasen namens Harvey zum Freund, den er jedem ungefragt vorstellt. Darunter leiden vor allem seine Schwester Veta Louise und ihre Tochter Myrtle Mae, die wegen der eigenwilligen Marotte Elwoods um ihre gesellschaftliche Au�enwirkung f�rchten. Der verr�ckte Bruder und Onkel muss weg - und zwar in psychiatrische Behandlung. Dass das nicht ohne Verwicklungen abgeht, darin liegt das kom�diantische Potential dieses St�cks, das au�erdem auch etwas Lebensphilosophie vermittelt.

*

�Ich habe mich vierzig Jahre lang mit der Wirklichkeit herumgeschlagen, Doktor, aber ich bin gl�cklich, festzustellen, dass ich sie schlie�lich untergekriegt habe.� gesteht der sich der totalen Friedfertigkeit ergebene Elwood irgendwann seinem Psychiater. Michael Pempelforth spielt diese stets freundliche, zun�chst recht naiv wirkende Frohnatur als vollkommen in sich ruhenden Menschen, w�hrend sich um ihn herum alles in Wahnsinn aufzul�sen scheint. Das reizt nat�rlich zur kom�diantischen �bertreibung, der sich der Intendant des Schauspiel Leipzig und Regisseur des Abends Enrico L�bbe allerdings nicht ergiebt. Seine Inszenierung setzt auf differenziertere T�ne, wenn auch das Ensemble hin und wieder mimisch und gestisch klassisches Kom�dientheater spielt.

Das B�hnenbild von Etienne Pluss zeigt eine etwas aus der Zeit gefallene Diele im Haus, in dem Ellwood P. Dowd mit seiner Schwester (Annett Sawallisch) und Nichte (Katharina Schmidt) lebt. Der gleiche Raum wird einen Akt weiter zum Empfangszimmer des Sanatoriums von Dr. Chumley (Denis Petković), in das Veta ihren Bruder einweisen lassen will. Als merkw�rdiges Faktotum, das kaum jemand beachtet und so zum weiteren Unsichtbaren wird, fungiert Tilo Kr�gel. Stets tiefgebeugt jagt der hinzuerfundene Diener im Hause Dowd als Running Gag imagin�re Fliegen, schleicht den Leuten mit einer Fusselb�rste nach oder versucht mit einem langen Gartenschlauch auf eine Leiter zu klettern, um einen kleinen Blumentopf auf dem Regal zu gie�en. Zwischen den Akten zeigt er vor dem geschlossen Vorhang mit Schrifttafeln den Fortgang der Geschichte an. Diese absurden, slapstickartigen Szenen sorgen nat�rlich f�r zus�tzliche Lacher im Publikum.

Das Geschehen um die Verwechslung bei der Einlieferung Ellwoods in die Klinik entwickelt sich zun�chst noch etwas betulich. Veta wird nach ihrer recht weitschweifig und hysterisch vorgetragenen Schilderung der Eigenarten ihres Bruders und seines imagin�ren Freunds f�lschlich vom �bereifrigen Assistenzarzt Dr. Lyman Sanderson (Julius Forster) eingewiesen. Nach Aufkl�rung des Irrtums will sie die Klinik von Dr. Chumley mittels des steifen Familienanwalts Omar Gaffney (Dirk Lange) verklagen. Alles ist auf der Suche nach dem mittlerweile verschwundenen Elwood, der immer wieder durch seine vollkommen echte Liebensw�rdigkeit imponiert und damit sogar bei der versnobten Ehefrau von Dr. Chumley (Anne Cathrin Buhtz) punkten kann. Nebenbei f�hrt Elwood auch noch zwei grundgegens�tzliche Paare wie Oberschwester Ruth (Julia Berke) und Dr. Sandersons sowie Myrtle Mae und den prolligen Anstaltspfleger Marvin (Thomas Braungardt) zusammen.

Nach der Pause nehmen Story und Inszenierung etwas mehr Fahrt auf. Es blitzt und donnert, T�ren gehen wie von Geisterhand auf und zu. Licht- und Schattenspiele tun ihr �briges. Allein Harvey will nicht erscheinen, obwohl Dr. Chumley bei n�chtlicher Sauftour mit Elwood bereits Bekanntschaft mit dem Hasen gemacht hat. Dieser sogenannte �Puka�, ein Geist in Tiergestalt aus der irischen Sagenwelt, kann in die Zukunft schauen, die Zeit anhalten und denen, die ihn sehen, ihre sehnlichsten W�nsche erf�llen. Dient also nicht nur als imagin�rer Freund aus Kindertagen, sondern wirkt als freundlicher Geist der Toleranz und Mitmenschlichkeit. Dass Elwood der bleibt, der er ist und auch noch der Rest der Bagage zum Guten bekehrt wird, ist die Pointe dieses mit seinem naiv anmutenden Ende heute doch etwas antiquiert wirkenden St�cks, das Enrico L�bbe ganz behutsam abgestaubt hat.



Mein Freund Harvey am Schauspiel Leipzig | Foto (C) Rolf Arnold

Stefan Bock - 19. Januar 2020
ID 11942
MEIN FREUND HARVEY (Schauspiel Leipzig, 18.01.2020)
Regie: Enrico L�bbe
B�hne: Etienne Pluss
Kost�me: Bianca Deigner
Dramaturgie: Torsten Bu�
Licht: Ralf Riechert
Mit: Michael Pempelforth, Annett Sawallisch, Katharina Schmidt, Dirk Lange, Denis Petković, Anne Cathrin Buhtz, Julia Berke, Thomas Braungardt, Julius Forster, Christoph M�ller und Tilo Kr�gel
Premiere war am 18. Januar 2020.
Weitere Termine: 25.01. / 06., 22.02. / 01.03. / 12.04. / 24.05.2020


Weitere Infos siehe auch: https://www.schauspiel-leipzig.de/


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